Nur ein Sieg von Tokio entfernt

(Yves Solenthaler) Der 22-jährige Grecoringer Ramon Betschart von der RS Kriessern verpasste in Budapest knapp die Olympia-Quali.

Im ersten von zwei Qualiturnieren für die Olympischen Spiele in Japan war Ramon Betschart nahe am Coup. Der Silbermedaillengewinner der Junioren-WM 2019 kam in den Achtelfinals im Greco bis 87 Kilogramm kampflos weiter, weil sein griechischer Kontrahent wegen Problemen mit der Lunge nicht antreten konnte. Im Viertelfinal setzte sich Betschart gegen Mihail Bradu aus Mazedonien klar mit 10:2 durch.

«In diesem Kampf ist Ramon richtig gut aufgetreten», lobt Patrick Dietsche, Technischer Leiter der RS Kriessern. Betschart dominierte seinen Gegner, er vollendete zwei Aktionen, eine mittels Schleuderzug, die andere mit einem Armgriff. «Wahrscheinlich hat sein Halbfinalgegner diesen Kampf gesehen», sagt Patrick Dietsche, «deshalb wusste er, dass er Ramon keinesfalls die Chance zum Kontern offerieren durfte.»

«Auf diesem Niveau lässt ein Gegner nicht viel zu»

Im Halbfinal des Turniers in Budapest ging es für Betschart und Islam Abbasov (Aserbaidschan) um das Ticket für die Olympischen Spiele, die im Sommer in Tokio stattfinden. Der Gegner ist zweifacher EM-Medaillengewinner, ehemaliger U23-Europameister und an den European Games 2019 in Minsk holte er silbernes Edelmetall. «Auf diesem Niveau ist es normal, dass ein Gegner kaum etwas zulässt», wusste Ramon Betschart, «aber weil in einem Kampf immer alles möglich ist, rechnete ich mir dennoch Chancen aus.»

Technisch war Betschart seinem hochkarätigen Gegner auch gewachsen, jedenfalls gelang dem 25-jährigen Aserbaidschaner in 2 × 3 Minuten keine einzige Aktion. Dennoch war Betschart in diesem Duell chancenlos: Abbasov rang taktisch geschickt, blockierte stets Betscharts Arm, und dem Kriessner fehlte die Kraft, um sich aus dieser Umklammerung zu lösen. Vier Punkte musste er Abbasov allein deshalb zugestehen, weil er sich mehrmals aus dem Ring drängen liess. Schliesslich kam Abbasov zu einem komfortablen 6:1-Sieg und qualifizierte sich anstelle von Betschart für die Olympischen Spiele.

«Dass die Physis in dieser Gewichtsklasse mein Problem darstellt, ist ein leidiges Thema», sagt Betschart. An den Olympischen Spielen kommt im Greco nach der Gewichtsklasse bis 77 die Stufe bis 87 Kilo. «Ich brachte 86 Kilo auf die Waage, hatte auch schon 87, aber ideal wäre für mich die Kategorie bis 82 Kilo», sagt der 1,82 m grosse Kriessner. Für die Olympischen Spiele 2024 in Paris werde es allenfalls zum Thema, in der tieferen Gewichtsklasse anzutreten: «Vielleicht werden bis dann aber auch die Gewichtslimiten geändert.»

Doch die Gegenwart heisst Olympia 2021 in Tokio, und um sich dafür zu qualifizieren, erhält Ramon Betschart noch eine Möglichkeit: Vom 6. bis 9. Mai findet in Sofia das zweite Qualiturnier statt. Dann sind zwar Ringer aus aller Welt am Start (in Budapest waren es nur die europäischen), «aber weil Europa im Ringen der stärkste Kontinent ist und die bereits Qualifizierten in Bulgarien nicht mehr antreten, werden meine Chancen dort nicht kleiner sein.» Der Modus bleibt derselbe: Nur wer in Sofia den Final erreicht, löst das Ticket für Tokio.

Betschart einziger Aspirant mit realistischer Chance

«Ich bin enttäuscht, weil ich nur einen Kampf von meinem grossen Traum entfernt war», sagt Betschart, «aber das Turnier in Budapest hat mir auch gezeigt, dass ich eine realistische Chance habe, mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.

Die anderen Schweizer Ringer, die in Budapest angetreten sind, haben dies nicht erkennen lassen. In Tokio sicher dabei ist Stefan Reichmuth (RC Willisau), weil er an den Weltmeisterschaften 2019 als erster Schweizer Freistilringer überhaupt eine WM-Medaille an interkontinentalen Titelkämpfen gewann. Die weiteren Aspiranten von Swiss Wrestling mussten in Ungarn schon nach dem ersten Kampf die Segel streichen, darunter auch Betscharts Vereinskollege Marc Dietsche (im Freistil bis 77 kg) und Andreas Vetsch vom RC Oberriet-Grabs (Greco bis 67 kg).

Ramon Betschart wird bis zum zweiten Qualiturnier in den nächsten zwei Wochen in Kriessern trainieren (und parallel jeweils am Nachmittag arbeiten), danach geht’s zur unmittelbaren Vorbereitung in ein Trainingslager. Auf die Teilnahme an der Elite-EM von Ende April verzichtet er, weil er an den U23-Europameisterschaften vom 17. bis 23. Mai in Skopje (Mazedonien) antritt. «Der Fokus liegt aber auf dem Olympia-Qualiturnier von Anfang Mai», sagt der Kriessner.

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